Die Küchen – Moritat
Ernst Klotz, Dr. der Philosophie, letzter Hausdichter des Alten Simpl, eines Münchner Kabaretts, gilt als einer der Urväter der Schwabinger Bohéme. Man kann seinen Stil entfernt mit Morgenstern und Ringelnatz vergleichen. Er trat auch immer wieder mit seinen Gedichten, Balladen und Moritaten in der Schwabinger Katakombe auf, einer Kleinkunstbühne, wo ich ihn ab 1962 erleben durfte. Es war immer etwas Besonders, wenn er aus seinen Werken eine schräge Geschichte vortrug. Ich möchte Ihnen hier eine der Moritaten vorstellen, die mir von Ernst Klotz am besten gefallen:
„Die Küchen-Moritat“
Mariechen war höchst tugendsam, doch als ein schlechter Mensch mal kam und will, was da so üblich, ihr Ende war betrüblich.
Sie lebt von ihrem Mittagstisch. Sie kocht den Gästen Fleisch und Fisch und muss, sind sie erschienen, die Herren selbst bedienen.
War wunderschön von Angesicht, auch ringsherum, da fehlt es nicht. Drum viele abonnierten und kauend nach ihr stierten.
Der böse Karl kam stets zuletzt und er, sowie er sich gesetzt, belästigt ungeschliffen mit Reden sie und Griffen.
Sie gab ihm noch mal ein Besteck und rief: „Sie bleiben morgen weg ! Das geht nun schon seit Wochen !
Für Sie mag ich nicht kochen !“
Verschwand. Worauf er wutentbrannt mit dem Besteck ihr nachgerannt. Fand auch dank der Gerüche sie schnell in ihrer Küche.
Und während sie Kartoffel pufft, erstach von hinten sie der Schuft per Gabel. Mit dem Messer ging´s höchstwahrscheinlich besser.
Durchstach in seinem wilden Zorn das arme Mädchen bis nach vorn und sah sie samt den Zinken in ihre Pfanne sinken.
Doch da ihr Herzblut rausgezischt, das teure Gas im Herd erlischt, was, da er´s nicht bedachte, den Mörder um noch brachte.
Denn während er die Puffer aß, erledigte ihn still das Gas ! Starb er ohne Reu und Buße noch vor dem Apfelmuse.
Mariechen kam aus Tugend um, und die Moral heißt also drum: Gebt lieber solchen Rohlingen Bestecke nie aus Solingen !
Aus dem Buch „Die Wildsau“ von Ernst Klotz (* 04.02.1894 in Dresden † 27.08.1970 in Holzolling) mit Genehmigung des Süddeutschen Verlags München